14 typische Fehler bei User Interviews und wie du sie vermeiden kannst

Praktische Tipps um deinen Interviewstil zu verbessern

Lesedauer:

6 Minuten

Veröffentlicht am:

9.1.2024

In diesem Artikel lernst du:

  • Praktische Tipps mit Beispielen wie du deinen Interviewstil verbessern kannst
  • Welche häufigen Fehler du in Interviews vermeiden solltest

Selbst erfahrene UX Researcher stoßen beim Moderieren von User Interviews oft auf Herausforderungen, die von unerwarteten Antworten bis zur Überwindung von stillen Momenten mit schüchternen Testpersonen reichen. Vermeide diese Fehler, um deine Interviews nachhaltig zu verbessern und den Wert deiner Insights zu erhöhen:

Fehler #1  Hypothetische Fragen und Zukunftsversprechen

Nur, weil ein Nutzer sagt, dass er dein Produkt nutzen würde, ist das leider noch kein Grund, davon auszugehen, dass er dies tatsächlich tun wird. Frage deine Testperson stattdessen nach tatsächlichen Gewohnheiten und Erfahrungen, die sie in der Vergangenheit gemacht haben. So vermeidest du allgemeine Behauptungen, hypothetische Vermutungen und Versprechungen.

Fehler #2 Geschlossene Fragen

Geschlossene Fragen - also Ja/Nein-Fragen entspringen dem grundlegenden menschlichen Bedürfnis nach Anerkennung und Unterstützung. Im Kontext eines User Tests erweisen sie sich jedoch oft als hinderlich statt förderlich. Geschlossene Fragen sind weniger geeignet, um die tiefgehenden Beweggründe und Denkweisen der Befragten zu erforschen. Stattdessen können präzise formulierte Fragen mit vordefinierten Antwortmöglichkeiten dazu beitragen, einen Gesprächspartner wieder auf Kurs zu bringen, falls er sich in langatmigen Erzählungen verliert. Diese Fragen können auch dazu dienen, die Informationen, die zuvor durch offene Fragen gesammelt wurden, zu verifizieren und zu strukturieren. Wenn das Hauptziel jedoch darin besteht, ein umfassendes Verständnis zu erlangen und möglichst viele Informationen zu sammeln, führen offene Fragen zu besseren Ergebnissen.

Fehler #3 Leitende Fragen

Beim gutgemeinten Versuch, Testpersonen zu helfen oder bestimmte Antworten zu lenken, kann man leicht in die Falle tappen, leitende Fragen zu stellen. Viele Testpersonen neigen dazu, einer mehr oder weniger wahrheitsgemäßen oder gesellschaftlich erwarteten Antwort zuzustimmen, anstatt ihre Antwort von Grund auf neu zu verfassen. Stelle lieber offene Fragen, um authentische Antworten zu erhalten. Versuche dabei nicht in Erklärungen zu verfallen. Dies kann die Antworten beeinflussen und sollte vermieden werden, um objektive und ehrliche Informationen zu sammeln.

Fehler #4 Fragenüberflutung

Offene Fragen sind meist die beste Option, bis du merkst, dass es zu viele Details zu klären gibt. Bei breitgefächerten Themen kann es helfen, nach einer tatsächlichen Erfahrung in der Vergangenheit zu fragen, statt einer Reihe von Fragen zu stellen.

Fehler #5 Selbstbezogene Fragen

Wenn die Fragen zu sehr auf dich oder dein Produkt ausgerichtet sind, kann das die Objektivität der Antworten beeinträchtigen. Stelle sicher, dass die Fragen auf die Erfahrungen und Bedürfnisse der Testpersonen ausgerichtet sind, um aussagekräftige Informationen zu erhalten.

Fehler #6 Verallgemeinerte Fragen

Vermeide allgemeine Fragen, die zu vagen oder wenig aussagekräftigen Antworten führen können. Konkretisiere deine Fragen, um präzise Informationen zu erhalten.

Fehler #7 Verbale Erklärungen statt Beobachtungen

Statt nach Meinungen der Beobachter zu fragen, neigen einige Moderator:innen dazu, die Antworten selbst zu interpretieren. Dies kann die Daten verfälschen. Frage gezielt nach beobachteten Verhaltensweisen oder Meinungen.

Fehler #8 Waage Aussagen

Oft neigen wir dazu, uns mit vagen oder ausweichenden Antworten zufriedenzugeben. Dränge auf klare und spezifische Informationen, um verwertbare Daten zu erhalten. Es gibt Begriffe, wie „user-friendly“ oder „smart“, die jeder ein wenig anderes interpretiert. Bei solchen „abstrakten“ Begriffen, reicht es nicht aus, diese zu dokumentieren. Diese Wörter müssen „entpackt“ werden, denn erst dann können sie die Entscheidungsfindung im Designprozess unterstützen.

Fehler #9 Schwammige Angaben

Oft nutzen Testpersonen in Interviews Verallgemeinerungen wie „nie“, „immer“, „oft“ oder „häufig“.  Um aus diesen generellen Angaben wertvolle Insights zu generieren, sollten die Angaben der Testpersonen nach Möglichkeit weitestgehend quantifiziert werden. Selbstverständlich wird dein Interviewpartner dir keine perfekten statistischen Daten liefern, jedoch erhältst du zumindest Einblicke, ob sich „regelmäßig"“ sich auf „einmal pro Woche“ oder „Einmal pro Monat“ bezieht.

Fehler #10 Über die eigene Idee sprechen

Das Ziel eines Interviews ist es, die Wahrheit herauszufinden und nicht etwas zu verkaufen oder zu demonstrieren. Wenn du eine Testperson dazu zwingst, dich zu unterstützen, kann das bedeuten, dass auch der Rest der Testpersonen nicht einverstanden ist. Gebe außerdem der Klärung des Unbekannten den Vorzug vor der Überprüfung von Hypothesen - bei Hypothesen sind Prototypen und Tests die bessere Methode.

Fehler #11 Zuhören ohne Nachfragen

Eine effektive Methode, um deine Testpersonen zum Erzählen zu ermutigen, ohne ihnen Worte in den Mund zu legen, ist, ihre Aussagen einfach zu wiederholen. Wenn du beispielsweise hörst: „Ich weiß nicht, die Seite sieht einfach komisch aus…“, kannst du einige Sekunden warten und dann sagen: „Die Seite sieht komisch aus…“ und dann ohne eine konkrete Frage fortsetzen. Dies gibt ihnen normalerweise Zeit, ihre Gedanken zu ordnen, und zeigt, dass du aufmerksam zuhörst, selbst wenn sie möglicherweise denken, dass sie nicht viel zu sagen haben oder nicht viel beitragen können zu hinterfragen: „Hat er die Wahrheit gesagt? Weiß ich, warum sie das sagt? Was genau meint er, wenn er mir das sagt?“


Fehler #12 Reden statt Schweigen

Nicht umsonst heißt es „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Lasse Testpersonen in Ruhe ihre Gedanken zu Ende führen und versuche sie nicht zu unterbrechen. Eine hilfreiche Regel ist, in deinem Kopf bis sieben zu zählen, bevor du auf etwas reagierst, das dein Gesprächspartner sagt oder tut. Diese Methode hilft dir dabei festzustellen, ob du dem Teilnehmer ausreichend Zeit für eine Antwort gibst. Mehr dazu in unserem Artikel über Schweigen als Moderationstechnik

Fehler #13 Überwinde die anfängliche Unbeholfenheit

Stelle dir dein Interview nicht als ernstes Gespräch zwischen zwei Fremden vor, sondern behandle es viel mehr wie eine lockere Unterhaltung. Gib deinem Gegenüber Zeit, sich aufzuwärmen, bevor du in spezifische Fragen oder Themen einsteigst. Wenn du Testpersonen bittest, ein wenig über sich selbst zu erzählen und gleichzeitig etwas von dir teilst, schaffst du eine gemeinsame Basis, von der aus du das Gespräch in die gewünschte Richtung lenken kannst.

Fehler #14 Bleibe flexibel und halte Folgefragen bereit

Während manche Testpersonen gar nicht aus dem Reden herauskommen, sind andere sehr schweigsam. Du kannst in diesen Fällen die wichtigsten Interviewfragen (die „Must-haves“) aufschreiben, um die Aufmerksamkeit gesprächiger Testpersonen zu den essentiellen Themen zurückzulenken. Für zurückhaltende Testpersonen solltest du mehr Fragen vorbereiten, als du wahrscheinlich stellen kannst. Zudem ist es hilfreich Folgefragen vorzubereiten, um das Gespräch zu vertiefen und in interessante Richtungen zu lenken.

Zusammenfassung

Behalte im Hinterkopf, dass, selbst bei noch so guter Planung und Fragestellungen, Interviewdaten hauptsächlich auf Selbstauskünften deiner Testpersonen basieren. Diese können fehlerhaft oder unvollständig sein. Dennoch helfen sie dir, neue Insights zu generieren und deine Hypothesen ein Stück besser bewerten und einordnen zu können. Es liegt an dir als Interviewer aufmerksam und vor allem flexibel zu bleiben.

1. Sprich über die Erfahrungen deiner Testpersonen statt über deine Hypothesen

2. Frage nach konkreten Erlebnissen in der Vergangenheit, statt nach Meinungen über Zukünftiges

3. Weniger reden, mehr zuhören

Meine Buchempfehlung dazu: „The Mom Test: How to talk to customers & learn if your business is a good idea when everyone is lying to you“ von Rob Fitzpatrick.

Wie du deine Moderationstechnik als Interviewer:in verbesserst, liest du in unserem Artikel über „Schweigen als Moderationstechnik“.

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Siehe auch:

Schneller fundierte Entscheidungen treffen durch Atomic Research und Insight Nuggets

Ein Ansatz für datengetriebene, nachvollziehbare und nachhaltige Research Repositorys

Lesedauer:

7 Minuten

December 19, 2023

Reden ist Silber, schweigen ist Gold – Die 7-Sekunden-Regel für User Tests

Wie du Stille als Moderationstechnik nutzt

Lesedauer:

3 Minuten

November 27, 2023

Jeder 2. UX Designer in Deutschland wünscht sich mehr Anerkennung für UX. User Research ist derzeit die größte Herausforderung, aber auch Sensibilisierung für Nutzerzentrierung, Budget- und Zeitmanagement.*

*vgl. Branchenreport 2022 von German UPA

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Wenn du User Tests effizient in deinem Unternehmen etablieren möchtest, dann ist Continuous User Testing genau das richtige.“

Kadir Kara, Lead Experience Designer
@Seven.One Entertainment Group

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